Hamburger V6-Zug aus 3D Drucken, Zustand 1965

Hier kann jeder seine selbst- oder umgebauten bzw. verfeinerten Fahrzeugmodelle vorstellen.
Auch spezielle Techniken wie Beleuchtungen, Antriebe, oder sonstige Verbesserungen an Industriemodellen sind hier richtig.
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Helmut G.
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Hamburger V6-Zug aus 3D Drucken, Zustand 1965

Beitrag von Helmut G. »

Hallo zusammen,

es gibt seit vielen Jahren einige Hamburger Straßenbahn-Bausätze in H0 aus Weißmetall. Guido Mandorf hat mit seinen 3D Drucken aus Kunststoff bei i.materialise in den letzten Monaten einen Großteil der noch bestehenden Lücken geschlossen.

Optisch vertragen sich die Weißmetall- und Kunststoffmodelle recht gut. In der Entwicklung liegen halt rund 40 Jahre dazwischen.

Die letzten Wochen brachten virusbedingt eine Menge mehr Freizeit, die ich zum großen Teil auf dem Hobbyboden verbrachte.

Vor zwei Wochen nahm ich den von Guido entworfenen Hamburger V6-Zug in Arbeit. Ich wollte ihn in der Ausführung gestalten kurz vor dem Umbau zum schaffnerlosen Triebwagen.

Ich beschreibe in einiger Breite, welche Arbeitsschritte auf mich zukamen.

Schöne Abbildungen bei i.m. könnten den Interessierten dazu verleiten, anzunehmen, daß mit der Bestellung über den PC bereits die meiste Arbeit erledigt wäre...

Meine Bestellung für den V6-Zug bestand aus fünf 3D Drucken bei i.m..

Bei den Gehäuseteilen hatte ich die Wahl zwischen zwei Materialien und drei Bearbeitungsstufen. Zur Wahl standen grau gefärbtes Resin und Naturresin, das leicht transparent ist. Beim Druck mit Naturresin konnte ich entscheiden, ob ich die druckbedingten Stützen selbst entfernen wollte.

Die Bodengruppen/Inneneinrichtungen und die Drehgestelle für den Beiwagen werden in Polyamid angeboten, das recht strapazierfähig ist.

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Die Wahl der Materialien und Bearbeitungsstufen hat Einfluß auf den Preis. Die komfortabelste Variante aller fünf 3D Teile kostet einschl. MwSt und Versand etwa 193 Euro.

Beim Druck mit Naturresin und Selbstentfernung der Stützen komme ich auf rund 124 Euro. Ich entschied mich für die günstigere Variante, wobei der Zeitaufwand für das Entfernen des Stützmaterials bei rund 30 Minuten je Gehäuse liegt.

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Als nächstes bestellte ich die Tw-Motorisierung bei Halling. Wiener C1-Antrieb und Versand schlagen mit 83 Euro zu Buche. Dann hat man zwar ein paar Teile über, kann aber auch nichts vergessen.

Die Beiwagenachsen bestellte ich in größeren Mengen in Deutschland, kommt deutlich günstiger. Ohne Porto liege ich bei einem vierachsigen Bw bei rund 5 Euro.

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Die Grundierung ist erledigt

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Der Anstrich mit Acrylfarben schreitet voran

Jetzt fehlt noch Verglasungsmaterial (z.B. von 'evergreen scale models) und dafür geeigneter Klebstoff (z.B. Glue 'n' Glaze).

Um den Zug unter Farbe zu setzen, kaufte ich folgende Acrylfarben (Oesling, Revell):

Aluminium
Hellgrau, matt (Vorstrich)
Elfenbein (RAL 1014, seidenmatt)
Rot, matt (Vorstrich für den roten Wagenteil)
Rot (RAL 3000 seidenmatt)
Braun, matt
Dunkelgrau, matt
Schwarz, matt

Als Kupplung wählte ich wiederum meine Magnetvariante (Neusilberdraht, Stabilit Express, Rundmagnete).

Den Stangenstromabnehmer stellte ich unter Zuhilfenahme eines Lötkolbens mit Gitarrendraht PL020, Neusilberdraht (Kontaktleiste), M2 Schraube und Mutter her.

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Folgende Werkzeuge/Materialien setzte ich ein (habe hoffentlich nichts vergessen):

Kleines scharfes Messer/Skalpell
Schneideunterlage
Metalllineal
Kleine Schere
Kleine Feile (z.B für die Kunststoffbearbeitung)
Kleiner Schraubendreher (Schlitz)
Tuschpinsel in verschiedenen Größen
Lötkolben (30 Watt)
Kleine Spitzzange
2 Wäscheklammern (Kupplungsherstellung)
M2 Schrauben
M2 Muttern
Masking tape
Decals

Diese Aufstellung zeigt an, daß Basteln nicht unbedingt eine niedrigpreisige Angelegenheit ist. Wer davon nichts zu Hause bereits liegen hat, steht zusätzlich vor der Frage, wo bekommt man die Teile qualitativ ansprechend und preisgünstig her.

Der lokale Einzelhandel wird mit diesen Einkaufswünschen häufig überfordert sein, wenn denn derartige Fachgeschäfte überhaupt noch in der Nähe sind.

Personal und Fahrgäste bestellte ich bereits vor einem Jahr preiswert in China. Für die Mitfahrt im Triebwagen mußte ich den Figuren die Beine entfernen, die Bw-Fahrgäste kamen ohne Blessuren davon. Mit ein paar braunen Farbtupfern lockerte ich die gelieferte schwarze Einheits-Haarfarbe auf.

Eigentlich ist das Basteln mit 3D Drucken relativ einfach – wenn ich mir nicht die Aufgabe gestellt hätte, eine Garnitur im Aussehen von vor rund 55 Jahren darzustellen.

Ich habe zwar in meinen Schränken eine Menge Unterlagen über die Hamburger Straßenbahn liegen, doch die wurden nicht mit der Intention erstellt, damit später Modellbau betreiben zu können. Auch im Internet ist die Ausbeute für die Zeit eher mager.

An den V6-Zügen ist im Laufe ihrer Einsatzzeit sehr viel geändert worden. Mir sind 5 unterschiedliche Zifferndarstellungen einschl. Farben der Wagennummern in Erinnerung. Dazu wechselte noch gelegentlich der Platz für deren Anbringung und die Wagennummer selbst. Das farbliche Absetzen von Leisten wurde gegen Ende der Nutzungszeit immer weiter verringert. Wenn dann mein Zug (vermutlich) farblich stimmig gestaltet ist, welche Linien fuhren 1965 wohin und auch noch mit Beiwagen? Negative oder positive Fahrtzielbeschriftung und Liniennummern? Welche Außenwerbung in welcher Ausführung war zu der Zeit an diesen Wagen angebracht? Und nicht ganz unwichtig, lagen mir diese Decals vor?

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Beim Vorbild war der farbliche Zustand der Dächer 1965 meist anders...

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Ich beneide manchmal die Freunde der Fertigmodelle. Sie erhalten gelegentlich Fehler geliefert, ich muß sie selbst machen :lol: ...

Unabhängig von der Mühe, die mit jedem Basteln verbunden ist, mein Dank geht an Guido für seine Entwicklungsarbeit.

Viel Spaß beim Basteln

Helmut G.
Regiovogel
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Re: Hamburger V6-Zug aus 3D Drucken, Zustand 1965

Beitrag von Regiovogel »

Hallo Helmut,

ein sehr schöner und anschaulicher Bericht!
Da es bei mir jetzt doch endlich etwas konkreter wird mit dem Bau von Fahrzeugen, hätte ich gerne noch ein paar Fragen an dich.

Die Kardanwellen sehen auf dem Foto so weiß aus, sind das die originalen vom Halling-Antrieb oder wurden die mitgedruckt? Der C1-Antrieb, den ich hier vor mir liegen habe, ist inzwischen glaub ich zwei Jahre alt, dort sind die Kardanwellen aber mehr in einem dunklen grau wie die Drehgestelle, daher meine Frage.

Dann noch eine Frage zur Verarbeitung der Farben:
Wie lackierst du deine Modelle? Mit der Airbrush oder ist das eine Pinsellackierung? Die Oberflächen sind sehr schön gleichmäßig.
Mit den Oesling-Farben hatte ich jetzt bei meinen ersten Gehversuchen so meine liebe Not. Ich tue mich schon schwer, die Farbe vernünftig aus den Farbgläsern zum Portionieren zu bekommen. Nach kräftigem Schütteln und Rühren habe ich da mehr eine zähflüssige Konsistenz wie Honig - mache ich da etwas offensichtliches falsch? Was sind deine Erfahrungen dabei?
Vielleicht hast du ja da einen Tipp für mich.

Viel Freude mit den tollen Modellen wünsche ich!

Viele Grüße
Sebastian
Tramspotters
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Re: Hamburger V6-Zug aus 3D Drucken, Zustand 1965

Beitrag von Tramspotters »

Zu sehen, was du schönes aus meinen Modellen baust, ist mir jedes mal eine Freude :-)

Ganz toll gelungen.
Helmut G.
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Re: Hamburger V6-Zug aus 3D Drucken, Zustand 1965

Beitrag von Helmut G. »

Hallo zusammen,

vielen Dank, Guido und Sebastian.

Hier rollt der Zug:

https://youtu.be/oac4Gq8Pgfg

Ihr kennt ja den Kalauer, 'ein Modell, das nicht fährt, ist sein Geld nicht wert' 😊

Sebastian, die weißen Kardanwellen liegen dem Druck der Bodengruppe /Inneneinrichtung von i.m. bei. Zwei Reserve-Kardanwellen sind zusätzlich beigefügt, falls sich die zierlichen Stücke einmal in den unendlichen Weiten der H0-Welt verflüchtigen sollten. Die Kardanwellen des C1 Antriebes haben eine andere Länge.

Ich male meine Modelle mit normalpreisigen Tuschpinseln an. Wichtig für jeden Farbentyp ist, die richtige Konsistenz zu erreichen. Seit geraumer Zeit verwende ich Acrylfarben von Revell und Oesling. Dabei nutze ich meist die matte oder seidenmatte Ausführung - da fallen kleine Unebenheiten in der Oberfläche nicht so auf. Ich mische nur in sehr wenigen Ausnahmefällen Farbtöne.

Bevor ich mit dem Pinseln beginne, rühre ich die Farbe im Originalbehälter ausgiebig um und belasse sie auch im Originalbehälter. Habe ich den Eindruck, sie wäre zu zähflüssig, gebe ich tropfenweise etwas Lüneburger Leitungswasser hinzu. Dabei versuche ich stets im Auge zu behalten, drei dünne Anstriche geben meist ein besseres Ergebnis als ein einziger dicker. Wenn ich male, steht neben mir auf der Arbeitsfläche eine kleine Schale mit Wasser. Falls ich während des Farbauftrages den Eindruck habe, die Farbe wird zu zäh, kann ich jederzeit den Pinsel zum besseren Farbfluß etwas befeuchten.

Wenn ich mir unsicher bin, ob die Konsistenz richtig ist, versehe ich ein ausgemustertes Gehäuse mit einem Probeanstrich. Nach kurzer Trockenzeit weiß ich dann, ob die Farbe gebrauchsfähig ist und ob mich der gewählte Farbton überzeugt.

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Viel Spaß beim Basteln
Helmut G.
Regiovogel
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Re: Hamburger V6-Zug aus 3D Drucken, Zustand 1965

Beitrag von Regiovogel »

Hallo Helmut,

danke für deine Antworten!

Das mit den Kardanwellen hatte ich so fast vermutet, habe sie nur auf dem ersten Foto nicht ausmachen können.
Schön zu wissen, dass man sich die bei benötigter anderer Länge auch auf dem Weg selbst herstellen kann.

Für eine Pinsellackierung wirken die Oberflächen auf den Bildern tatsächlich hervorragend. Da muss ich wohl einfach auch noch an meinen Fähigkeiten arbeiten...
Wasser in die Originalbehälter mit zu geben, wollte ich eigentlich vermeiden - einfach aus Unwissen, ob das der Farbe auf Dauer etwas ausmacht. Da ich mit der Airbrush arbeiten will, nehme ich zum Verdünnen destilliertes Wasser (unser Leitungswasser hier ist sehr kalkhaltig, ist vermutlich auf Dauer nicht so gesund dafür).
Ich werde es mal so ausprobieren, dass ich mir ein wenig Farbe verdünnt abfülle...

Die Variante mit dem eigenen Gehäuse nur für Versuche klingt natürlich auch sinnvoll.

Vielen Dank für die Tipps!

Viele Grüße
Sebastian
christian82
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Re: Hamburger V6-Zug aus 3D Drucken, Zustand 1965

Beitrag von christian82 »

Ich habe für Farbverdünnungen bei (Revell)-Acrylfarben den ganz normalen Reinigungsalkohol für mich entdeckt. Gleiches Prinzip wie mit Wasser nur wesentlich schneller trocken.
Wahre Liebe kennt keine Liga www.dynamo-dresden.de
Lechhauser
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Re: Hamburger V6-Zug aus 3D Drucken, Zustand 1965

Beitrag von Lechhauser »

Hallo Sebastian,
Farbe fasse ich (nach ausgiebigem Aufrühren mit einem "Quirl" im Akkuschrauber) aus dem Oesling-Farbglas mit einer 5ml-Spritze ohne Nadel ab. 100 Spritzen kosten in der Apotheke unter 7,- Euro und können durch Reinigen mehrfach verwendet werden. Die Spritzen haben auch den Vorteil, dass Du immer die richtige Menge entnimmst (Skala auf der Spritze) und sie helfen ebenfalls dabei, ein immer konstantes Mischungsverhältnis beim Verdünnen für die Airbrush hinzubekommen.

@Helmut: Wirklich beeindruckend, welche Qualität Du mit Pinsellackierung erreichst!

Viele Grüße
Winfried
Achim
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Re: Hamburger V6-Zug aus 3D Drucken, Zustand 1965

Beitrag von Achim »

Hallo Helmut,

wie immer sehr schöne Modelle geworden.

Und ja, Guidos Entwicklungen sind wieder ein Gewinn.

Bei mir trat mit den Kardanwellen von i.m. allerdings ein kleines Problem auf, denn eine scheint geringfügig kürzer zu sein, sie springt des öfteren aus der Führung.

Falls ich mal wieder vernünftigen Zugang ins Netz habe, werde ich auch mal meinen V6E vorstellen. Ein zeitlos elegantes Fahrzeug!

Gruß Achim
Bodo-Lutz
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Re: Hamburger V6-Zug aus 3D Drucken, Zustand 1965

Beitrag von Bodo-Lutz »

Falls die Kardanstange "geringfügig" zu kurz ist, kann das auch daran liegen, dass die Kardanschalen am Motor oder an derr Schneckenwelle etwas verschoben sind. Das lässt sich leicht korrigieren.
Helmut G.
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Re: Hamburger V6-Zug aus 3D Drucken, Zustand 1965

Beitrag von Helmut G. »

Hallo Achim,

Bodo-Lutz war schneller, wenn sich Kardanwellen aus irgendwelchen Gründen als zu kurz erweisen, gibt es bei Hallings Drehgestellen die Möglichkeit, die Kunststoffhülsen, welche die Kardane aufnehmen, auf den Metallwellen ein wenig zu verschieben.

Wenn alle Stricke reißen sollten, besteht ferner die Möglichkeit, auf Silikonschläuche auszuweichen.

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Viel Spaß beim Basteln

Helmut G.
Gerhard Brose
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Re: Hamburger V6-Zug aus 3D Drucken, Zustand 1965

Beitrag von Gerhard Brose »

Hallo miteinander,

bei meinen GT4-ern sind die Kardanwellen in Extremsituationen ausgefallen. Ich habe dann die Kardanwellen einschließlich der Kardanschalen mit Schrumpfschlauch überzogen (ohne den Schrumpfschlauch dann durch Wärme zu schrumpfen). Das hat geholfen.
Viele Grüße,

Gerhard
Achim
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Re: Hamburger V6-Zug aus 3D Drucken, Zustand 1965

Beitrag von Achim »

@Gerhard, Helmut und Bodo-Lutz

vielen Dank für Eure Tipps.
Wenn der Umzugsstreß vorüber ist, wird das in Angriff genommen.
Im Moment ist der Modellbaubereich noch allgemeine Lagerhalle :lol:.

Gruß Achim
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