50 Jahre Hamburger Straßenbahnmodelle in H0 aus Weißmetall

Hier kann jeder seine selbst- oder umgebauten bzw. verfeinerten Fahrzeugmodelle vorstellen.
Auch spezielle Techniken wie Beleuchtungen, Antriebe, oder sonstige Verbesserungen an Industriemodellen sind hier richtig.
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Helmut G.
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50 Jahre Hamburger Straßenbahnmodelle in H0 aus Weißmetall

Beitrag von Helmut G. »

Hallo zusammen,

ich leide seit langer Zeit unter Schlafstörungen. In der vergangenen Nacht schoß mir gegen 3 Uhr durch den Kopf, seit wann gibt es eigentlich von Hamburger Straßenbahnwagen Weißmetall-Bausätze in H0?

Ich sollte es wissen, letztendlich war ich am Anstoß für diese Bausätze nicht ganz unschuldig.

Anfang der siebziger Jahre gelangte ich durch glückliche Umstände in Kontakt mit Frank Vescoe, dem seinerzeitigem Chef von Bec-Kits. Frank stellte zu der Zeit bereits seit einigen Jahren Weißmetall-Bausätze für den britischen Modellbahnmarkt her. Dazu gehörten auch Straßenbahn-Bausätze in 00 (1:76). Die ihm wesentlich erscheinenden Bausätze hatte er bereits im Angebot, er wollte sein Sortiment mit Bausätzen in H0 nach europäischen Vorbildern ergänzen.

Sein erstes Werk war der hannoversche Stahlwagen von 1928 mit Beiwagen. Ihm stand nur eine Bleistiftskizze mit Angabe von Breite, Länge und Höhe zur Verfügung. Nachdem ihm später bemaßte Bauzeichnungen vorlagen, konnte er die Formen erfolgreich ändern.

Mein Angebot, ihm bemaßte Bauzeichnungen und zahlreiche Detailfotos über einen Hamburger Zweiachser liefern zu können, überzeugte ihn nach reiflicher Überlegung. Es handelte sich dabei um den Z1a, von denen zwischen 1894 und 1897 fast 400 Stück in Hamburg-Falkenried gebaut wurden.

Er entschloß sich, den Z1a-Bausatz für die Epoche nach 1945 zu entwickeln. Der Umsatz in Hamburg war so erfolgreich, daß Bec-Kits nach kurzer Zeit die Bausätze für den Z2 und den Z2B Beiwagen nachschob. Es war der Beginn einer langen Produktionsreihe.

Dies geschah nun vor ziemlich genau 50 Jahren. Mein ältestes Z1a Modell hat es bei mir so lange ausgehalten. Worüber man nachts um 3 Uhr so nachdenkt...

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Motorisiert wurden die Antriebe zunächst aus Teilen, die Frank mit Zweikomponenten-Klebstoff verband, im Ofen (mit mehr oder weniger Erfolg)
erhitzte und auskühlen ließ. Der Antrieb war äußerst zugkräftig, konnte aber im kalten Zustand durchaus einen Stromfluß von 800 mA verursachen.
Die Methode war auf die Dauer nicht praktikabel.

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Die Bausatzteile fand der Bastler sauber, in feinem Papier verpackt, im Karton vor

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Bec-Kits nutzte daraufhin einen Motor aus Asien und lötete die Teile zusammen. Das ging, wie ich feststellen konnte, recht flott. Diese leistungsarmen Motore konnten aber spätestens beim Ziehen von Beiwagen nicht überzeugen. Ein weiterer Grund dafür war das damalige sehr ungünstige Übersetzungsverhältnis.

Nach einigen weiteren Experimenten gelangten dann Motore von Mabuchi zum Einsatz, die zusammen mit zwanzigzähnigen Zahnkränzen gute Leistungen zeigen. Diese Antriebe werden seit einigen Jahren von KWTrams produziert und vertrieben.

Es sind grundsätzlich noch alle Bausätze von Bec-Kits und die Antriebe von KWTrams erhältlich. Die Folgen vom Brexit machen den Kauf auf dem Versandweg preislich wenig attraktiv und für Hersteller und Kunden kompliziert.

Viel Spaß beim Basteln
Helmut G.
Micha
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[?] 50 Jahre Hamburger Straßenbahnmodelle in H0 aus Weißmetall

Beitrag von Micha »

Hallo und danke für Deinen Bericht.

Wie hing eigentlich BEC mit Meyer in Winterhude zusammen ?
Soweit ich weiß hatte er wohl den Alleinvertrieb für die BRD ?

Schade, dass das kleine aber feine "Abenteuer Eisenbahn" - fast am gleichen Platz seit Anfang des Jahres
auch schon wieder Geschichte ist.

Ich war noch Ende Dezember 2023 im Laden und habe mich über das Straßenbahn-Sortiment (v.a. Hummel)
gefreut...
>TOP< Stuttgart 21 ,Die GANZE Wahrheit !' (Die Anstalt 29.1.19 im ZDF): https://youtu.be/V49b13fYFik ...
Alsternordbahn
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Re: [?] 50 Jahre Hamburger Straßenbahnmodelle in H0 aus Weißmetall

Beitrag von Alsternordbahn »

Micha hat geschrieben: Di 25. Jun 2024, 20:25 Hallo und danke für Deinen Bericht.

Wie hing eigentlich BEC mit Meyer in Winterhude zusammen ?
Vielleicht kann man sagen: Der "Zusammenhang" hat diesen Faden eröffnet...? :wink:

Ergänzung: Vescoe hätte wohl auch in England einen kleinen Markt für deutsche Modelle gehabt, denn viele Engländer hatten mehr oder minder freiwillig eine Zeit in Deutschland verbracht. Gerade Hannover war ja lange ein wichtiger Ort für die britische Armee, Hamburg ebenfalls. Erinnerungen in Modellform kamen da gerade recht. Helmut G. knüpfte die Verbindung nach Hamburg und war (s.o.) quasi die Abteilung für technische Dokumentation. Meyer wiederum erkannte das Potenzial und wurde schnell zum Epi-Zentrum der entstehenden norddwesteutschen Modelltram-Szene. Zu seinen jährlichen Straßenbahn-Schaufenster-Ausstellungen im September/Oktober pilgerte man hin!

Der Z1 und der V6 als letzter Straßenbahntyp sind in hohen Stückzahlen verkauft worden. Vor 50 Jahren war der Z1 als "der" Hamburger Typ gerade mal 15 Jahre aus dem Stadtbild verschwunden gewesen. Mit dem Erfolg konnte man dann auch andere Modelle und U-Bahnen umsetzen.


Herr Meyer war ein Modellbahnhändler, wie es ihn heute praktisch nicht mehr gibt. Er brannte einfach für Bahnen und die Straßenbahn, die bis 1977 vor seinem Laden vorbeifuhr und er sorgte immer dafür, dass gerade auch ausgefallene Modelle bei ihm zu kaufen waren. (Der Nachfolger hatte nichts eiliger zu tun, als dieses Alleinstellungsmerkmal zu tilgen, für das man bei Meyer auch gern mal eine Mark mehr bezahlt hatte...)

Meyer, der Threaderöffner und Vescoe haben jedenfalls eine ganze Menge Menschen für Modellstraßenbahnen begeistert, indem so Modelle entstanden, mit denen man sich die Hamburger Straßenbahn auf die eigene Anlage holen konnte. Das hat unserem Hobby damals enorm Auftrieb gegeben. War ne tolle Zeit!


Der Name BEC stammt meines Wissens vom Bec-Model-Shop im Londoner Stadtteil Tooting Bec. In UK hatte wohl jeder Modellbahnladen, der etwas auf sich hielt, ein paar eigene Selbstbau-Produkte, die man etwa über Mailorder auch einem breiteren Publikum zugänglich machte. Die Briten haben kleine Wohnungen, wenig Platz und somit Zeit für Selbstbau-Gepuzzle (gehabt). Und für diese Selbstbauer wurden alle möglichen (und unmöglichen) Dinge angeboten, die den Selbstbau erleichterten oder fast volkstümlich machten. Wenn ich das nach 30 Jahre noch richtig erinnere, hat mir der Shop-Inhaber damals erzählt, dass es urgsprünglich Eisenbahnbausätze waren und sie irgendwann gemerkt hätten, dass ihnen "trams" aus den Händen gerissen wurden. Aber da lass ich mich gern korrigieren.

Die heutige Generation kann sich sowas nicht mehr vorstellen: Der Laden war noch in den 1990ern bis unter die Decke vollgestopft mit unzähligen Schächtelchen und so mancher Rarität von der man zuvor noch nie etwas gehört hatte. Da konnte man wirklich stöbern und sensationelle Dinge entdecken. (Die Beschreibung von Olivanders Zauberstabladen aus Harry Potter hatte mich stark an diese britischen Model-Toy-Shops erinnert, die inzwischen aber auch fast alle weg sind.) Es war wirklich ein Erlebnis dort zu sein! Und heutige Läden sind gerade in Deutschland dagegen gähnend langweilig.
Helmut G.
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Re: 50 Jahre Hamburger Straßenbahnmodelle in H0 aus Weißmetall

Beitrag von Helmut G. »

Hallo zusammen,

ich fasse mich kurz, versuche es zumindest.

1971 fuhr ich im Rahmen eines Austausches jugendlicher Gewerkschaftsmitglieder nach England (ich war ein bißchen älterer 'Jugendlicher' :wink:). Bei einer Rundfahrt mit unseren Gastgebern gelangte ich ins Gespräch mit dem Busfahrer. Er verriet mir, daß er in seiner Freizeit Busmodellbau betrieb. Als ich ihm erzählte, daß mich Straßenbahnen und deren Modellbau interessierte, sagte er mir – für mich völlig unerwartet, daß in UK mehrere Kleinfirmen Straßenbahn-Modellbausätze im Maßstab 00 (1:76) zu moderaten Preisen im Sortiment hätten.

Am nächsten Tag zeigte er mir drei motorisierte Weißmetall-Bausätze unterschiedlicher Hersteller.

Keyser stellte einen Londoner Eindecker her. Gußqualität und Detailreichtum konnten mich nicht überzeugen,
meine Note: 5, Antrieb (in Teilen) ebenfalls Note 5.

Anbricos Bausatz bot die Teile für einen modernen Doppeldecker aus Sheffield. Gußqualität: 1, Antrieb (Bausatz): 5

Bec-Kits Karton enthielt die Teile für einen Doppeldecker aus Leeds. Gußqualität: 2, Antrieb (fertig): 2

Ich kaufte die Bausätze mit ein wenig Bauchschmerzen, wie sollte ich die Doppeldecker unter meiner seit Jahren existierende niedrigen Fahrleitung einsetzen?

Zu Hause in Hamburg machte ich mich alsbald an das Basteln der Modelle.

Richtig Freude hatte ich (nach Montage einer neuen Fahrleitung) nur am Modell von Bec-Kits. Es fuhr problemlos über alle Strecken.

Bei Anbrico machte sich in der ersten engeren Kurve bemerkbar, daß das von nur einer Achse angetriebene Modell viel zu schwach motorisiert war. Ein stechender Geruch breitete sich aus ...

Der Antrieb von Keysers schien unvollständig zu sein, ich gab auf.

Später informierte mich der englische Hobbykollege, daß Bec-Kits an einem Zweiachser-Bausatz mit Beiwagen in H0 aus Hannover arbeitet. Ich fand den Bausatz später von der Firma Güsgen inseriert. Die Proportionen stimmten, der Rest, na ja...

Nach meiner Erinnerung waren in Hamburger Geschäften zu der Zeit nur normalpreisige Straßenbahn-Fertigmodelle von Rivarossi/Trix und Memoba/Liliput erhältlich.

Mir stellte sich die Frage, wie könnte ich mit vertretbarem Aufwand eine Modellbahnfirma dafür interessieren, ein H0 Straßenbahnmodell nach Hamburger Vorbild herzustellen?

Modellbahn Meyer in Hamburg-Winterhude war grundsätzlich interessiert, wußte aber auch keinen Erfolg versprechenden Weg.

Zwischenzeitlich hatte ich bei Bec-Kits weitere 00-Straßenbahn-Bausätze bestellt. Irgendwann fragte ich dort nach, ob denn auch die Herstellung eines H0-Bausatzes mit Hamburger Vorbild möglich wäre, wenn ich alle Unterlagen für den Formenbau liefern würde. Zwei Hamburger Geschäfte würden den Bausatz vertreiben.

So begann die Verwirklichung meiner Idee.

Über die Jahre entstanden 20 Straßenbahn-Bausätze mit deutschen Vorbildern und drei Bausätze mit Hamburger U-Bahnwagen.

Möglich wurde das durch Idealisten aus mehreren Städten, die ihre Freizeit einsetzten für das Sammeln und zur Verfügung stellen von Informationen, Bauzeichnungen und Fotos.

Faire Geschäftsleute mit Interesse an Straßenbahnen und deren Modellen erkannten diese Chance und sorgten für die Umsetzung.

Viel Spaß beim Basteln
Helmut G.
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